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Verleumdung über WhatsApp

Der Fall:

In einem Kondominium in Süditalien hat ein Kind ein anderes Kind angegriffen und verletzt. Der Vater des Opfers stellte ein Foto der Gesichtsverletzung in die WhatsApp-Gruppe der Miteigentümer des Hauses und schrieb darunter: „Ich möchte dem Eigentümer des Tieres bloß zeigen, was meiner Tochter im Gesicht zugefügt worden ist. Morgen nach meiner Rückkehr von der Arbeit werde ich die notwendigen Vorkehrungen treffen.“ Die Eltern jenes Kindes, das als „Tier“ bezeichnet worden war, brachten einen Strafantrag wegen Verleumdung im Sinne des Artikels  595 des Strafgesetzbuches (StGB) ein.

 

Wie die Gerichte entschieden:

Zunächst wurde der Vater des verletzt gebliebenen Mädchens  am Friedensgericht Lecce freigesprochen. Nach Auffassung des Friedensrichters war die Verwendung des Begriffs „Tier“ in diesem Zusammenhang zwar unangemessen und übertrieben, hätte das Ansehen der so bezeichneten Person aber nicht geschädigt. Und ohne Ehrverletzung liege der Straftatbestand der Verleumdung nicht vor.

Gegen den Freispruch hat die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft Kassationsbeschwerde eingelegt, die kürzlich angenommen wurde (Urteil Nr. 34145 vom 26. Juli 2019).

Die römischen Kassationsrichter stimmten der Argumentation des Staatsanwalts voll und ganz zu, wonach die Bezeichnung eines Kindes als „Tier“ beleidigend und verletzend sein muss. Zwar wurde eingeräumt, dass Entscheidungen des Kassationsgerichtshofs in den vergangenen  Jahren eine direktere und „lässigere“ Wortwahl für zulässig erachtet haben. Wie jedoch bereits mit höchstrichterlichem Präzedenzurteil Nr. 42933/2011 festgehalten worden war, seien Formulierungen, bei denen das Opfer sozusagen „entmenschlicht“ wird, weil man es mit Sachen oder Tieren gleichstellt, nach wie vor als ehrrührig und verleumderisch einzustufen.

In der WhatsApp-Mitteilung war das Kind nicht nur als Tier, sondern indirekt auch als Objekt bezeichnet worden, da dessen Vater angeblich sein „Eigentümer“ sei.

Das heißt: Trotz der heute feststellbaren allgemeinen Verrohung des Sprachgebrauchs, vor allem in den sozialen Medien, ist eine derartige Wortwahl immer noch rechtswidrig.

Das Urteil des Friedensgerichts Lecce ist somit aufgehoben und das Verfahren in die erste Instanz rückverwiesen worden, damit der apulische Friedensrichter die Sachlage unter Berücksichtigung genannten Rechtsprinzips noch einmal überprüft.

Sofern der Vorfall mit der WhatsApp-Mitteilung nicht allzu lange her ist, wodurch die Sache inzwischen verjährt sein könnte, scheint für den Angeklagten eine Verurteilung wegen Verleumdung gemäß Artikel 595 StGB nunmehr gewiss.

  • Veröffentlicht: WIKU

WIKU = wöchentliche Beilage der Südtiroler Tageszeitung Dolomiten, auf Wirtschaftsfragen fokussiert.
Dolomiten = Südtiroler Tageszeitung Dolomiten der Verlagsanstalt Athesia.