ZIVILVERFAHREN: 600.000 Euro Schadenersatz für Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn und Bundeseisenbahnvermögen
BOZEN (rc). Zu jung für eine Operation, aber zu alt für eine Umschulung: Diesen scheinbaren Widerspruch wollte eine Kfz- Versicherung, die von einem verletzten Radler auf Schadenersatz geklagt worden ist, nicht gelten lassen. Das Gericht gab aber dem Geschädigten Recht: Er erhält 305.000 Euro, sein Arbeitgeber bzw. dessen Versicherung fast ebenso viel.
Eine fatale Sekunde der Unachtsamkeit, und schon war es geschehen: Auf der Straße zwischen Bruneck und Pfalzen hatte eine Pkw-Lenkerin beim Abbiegen einem Radfahrer die Vorfahrt genommen. Er stürzte so schwer, dass er sich eine Hüftverletzung zuzog, aufgrund derer er seiner Arbeit bei der Deutschen Bahn als Fahrdienstleiter nicht mehr nachgehen konnte.
Trotz mehrerer Krankenhausaufenthalte und Physiotherapien blieb der zum Zeitpunkt des Unfalles 45-Jährige weiterhin in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Mit dem Sport, den er vorher mit Leidenschaft betrieben hatte, war es vorbei, und auch seine durch den Sport entstandenen Sozialkontakte wurden eingeschränkt. Vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Wenter und Gabrieli klagte der Bundesdeutsche einen Schaden von knapp mehr als 300.000 Euro ein. Aber auch das B.E.V. (Bundeseisenbahnvermögen) forderte Schadenersatz für die für ihren Bediensteten in der Zeit der Arbeitsunfähigkeit ausgelegte Summe bzw. die Frühpensionierung, was noch einmal knapp 300.000 Euro ausmachte.
Die Autofahrerin und ihre italienische Versicherung beanstandeten Ungereimtheiten und damit auch die Höhe der geforderten Schadenssumme: Diese hätte geringer ausfallen können, wenn sich der Radfahrer sofort einer Hüftoperation unterzogen hätte, statt diese hinauszuzögern. Doch das Bozner Landesgericht befand, dass der Radler dies aufgrund des Rates der Ärzte getan hatte, die ihn mit 46 als zu jung für eine Hüftprothese einstuften. Den scheinbaren, von den Antragsgegnern geltend gemachten Widerspruch, dass der Geschädigte zugleich zu alt für eine Umschulung innerhalb der deutschen Bahn gewesen sei und deshalb nur die – teurere – Frühpensionierung in Frage gekommen sei, konnte das Gericht nicht teilen. Für den ehemaligen Fahrdienstleiter wäre nur mehr ein Computerjob in Frage gekommen, für den er keinerlei Ausbildung hatte: Angesichts des Arbeitsmarktes in diesem Bereich, der vornehmlich auf junge und gesunde Arbeitskräfte zurückgreift, die auch weniger kosten, sowie wegen des Personalabbaus, könne jemand mit 46 durchaus als "zu alt" gelten. Das Oberlandesgericht hat jetzt das Urteil erster Instanz zur Zahlung von knapp 600.000 Euro bestätigt.