Der Fall:
Eine Gemeindebehörde in Venetien hat eine Baufirma beauftragt, Instandhaltungsarbeiten an einer Straßenverbindung vorzunehmen. Im Zuge der Arbeiten ist Wasser ausgetreten und hat ein Privathaus überschwemmt. Die Hauseigentümer haben sowohl die Gemeindeverwaltung als auch die Baufirma auf Schadenersatzleistung geklagt.
Wie die Gerichte entschieden:
Das Landesgericht Treviso sowie das Oberlandesgericht Venedig haben dem Klagebegehren teilweise stattgegeben und die Baufirma zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt. Die Ansprüche gegen die Gemeinde haben sie jedoch abgewiesen.
Die Geschädigten haben daraufhin das Rechtsmittel der Kassationsbeschwerde eingebracht. Dieses ist mit Urteil Nr. 23442/2018 angenommen worden. Anders als die beiden Instanzgerichte ist der Kassationsgerichtshof zur Auffassung gekommen, dass die auftraggebende Gemeindeverwaltung die Verwahrung über eine Sache nicht verliert, wenn eine Firma mit der Durchführung von Arbeiten an dieser Sache beauftragt wird. Sie haftet also ebenfalls. Die zusätzliche Verantwortung der beauftragten Baufirma für den Schaden wurde vom Höchstgericht bestätigt.
In der Regel haftet Dritten gegenüber zwar der Unternehmer, der seine Arbeiten autonom durchführt. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Schaden direkt von jener Sache verursacht wird, auf die sich der Auftrag bezogen hat. Dann haftet (auch) der Eigentümer bzw. Besteller als Verwahrer der Sache (siehe nebenstehende Infobox) – außer er kann einen Zufall nachweisen.
Einen solchen Zufall konnte die Gemeinde jedoch nicht nachweisen: Die Vorgehensweise der Baufirma bei der Straßensanierung war nämlich keinesfalls als unvorhersehbar oder unvermeidbar einzustufen. Nach Einschätzung der Höchstrichter besteht für die Gemeindeverwaltung also kein Haftungsausschluss, wenn ein Dritter aufgrund eines Unternehmerwerkvertrags Arbeiten an der Sache durchführt. Der Besteller kann während der Arbeiten nämlich ständig über die Sache verfügen. Die beauftragte Firma erwirbt keine Rechte an der Sache.
Verwahrer zu sein heißt auch, die Sache instand zu halten. Diese Instandhaltung kann selbst durchgeführt oder Dritten übertragen werden. Laut Kassationsgericht schließt eine derartige Beauftragung zur Durchführung von Arbeiten die Verwahrung im Sinne des Art. 2051 ZGB also nicht aus, sondern ist eine bloße Ausübung derselben.
Für die Geschädigten ist eine derartige Interpretation sicherlich von Vorteil: Durch die Haftung einer öffentlichen Körperschaft ist die Wahrscheinlichkeit auf eine Befriedigung der Schadenersatzansprüche höher, als wenn man sich bloß gegen eine möglicherweise insolvente Baufirma wenden könnte.
Blick ins Gesetzbuch
Rechtsgrundlage für die Haftung der Gemeindebehörde bildet die Bestimmung des Art. 2051 ZGB, welche wie folgt lautet:
„Jeder haftet für den Schaden, der durch Sachen entstanden ist, die er zur Verwahrung bei sich hat, außer er weist einen Zufall nach.“