Alkohol am Steuer: Wegweisendes Urteil
Der Fall:
Ein Autolenker hat in betrunkenem Zustand an einer Ampel einen Auffahrunfall verursacht. Die herbeigerufenen Ortspolizisten von Bergamo führten einen Alkoholtest durch, der Werte von über 1,5 Promille ergab. Der Mann wurde angezeigt.
Wie die Gerichte entschieden:
Erwartungsgemäß ist der Autofahrer sowohl in erster Instanz in Bergamo als auch im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Brescia wegen Führens eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss verurteilt worden.
Der Angeklagte aber zog bis vor das römische Höchstgericht und beanstandete die fehlende Anwendung des Strafausschließungsgrundes nach Art. 131-bis Strafgesetzbuch (StGB). Er räumte also ein, dass die strafbare Handlung begangen worden war, unterstrich aber zugleich, dass diese als besonders geringfügig im Sinne des Gesetzes einzustufen sei. Bis auf eine einzige frühere Verurteilung wegen einer leichteren Straftat (Verwendung von Falschgeld) sei er nämlich unbescholten. Niemals zuvor sei er einschlägig auffällig geworden und auch nach Begehung der strafbaren Handlung hätte er sich völlig gesetzeskonform verhalten.
Rein untergeordnet, hat der Mann das Urteil des Oberlandesgerichts noch als unlogisch und fehlerhaft begründet bezeichnet. Als Sanktion für Alkohol am Steuer sieht die Straßenverkehrsordnung bei einem derartigen Blutalkoholgehalt nämlich sowohl eine Haftstrafe als auch eine Geldbuße vor. Das Berufungsgericht hat zwar für die Haft das absolute gesetzliche Minimum angewendet, das Strafgeld aber ohne jegliche Begründung höher als im Mindestmaß festgelegt.
Mit Urteil Nr. 11655 vom 29.03.2021 des Kassationsgerichts ist der erste Beschwerdegrund angenommen und die von der Vorinstanz ausgesprochene Verurteilung aufgehoben worden. Obwohl beim Angeklagten ein relativ hoher Alkoholspiegel von über 1,5 Promille festgestellt worden war, verwiesen die Höchstrichter zunächst auf einen Präzedenzfall, entschieden im Jahr 2016 von den Vereinten Senaten des Kassationsgerichts, demzufolge das Rechtsinstitut nach Art. 131-bis StGB grundsätzlich auch bei Alkohol am Steuer Anwendung finden kann – ungeachtet dessen, dass in der entsprechenden Norm bereits Schwellenwerte für die Strafbarkeit vorgesehen sind, also 0,5 Promille für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit und 0,8 Promille für eine Straftat.
Dies vorausgeschickt ist im Einzelfall zu prüfen, ob es sich um kein gewohnheitsmäßiges Verhalten des Betreffenden gehandelt hat, wie die konkreten Tatumstände gewesen sind und ob der Schuldgrad sowie der angerichtete Schaden oder die ausgelöste Gefahr sehr gering gewesen sind.
Hier sind die Richter letztlich zur Auffassung gekommen, dass die einzige Vorstrafe lange zurücklag und nicht allzu schwerwiegend war, dass beim Verkehrsunfall keine Personen zu Schaden gekommen sind, dass das Fehlverhalten des Angeklagten nicht als gewohnheitsmäßig einzustufen ist und der Alkoholwert nur unwesentlich über dem Wert von 1,5 Promille gelegen hat. Der Strafausschlussgrund nach Art. 131-bis StGB war somit anzuwenden.