Nach einer Odyssee durch Operationssäle und Spitäler hat ein Südtiroler jetzt 280.000 Euro Schadenersatz zugesprochen bekommen. Das Bozner Zivilgericht befand, dass der behandelnde Arzt der Aufklärungspflicht, die spezifisch auf den jeweiligen Patienten abgestimmt sein muss, nicht ausreichend nachgekommen sei.
Auch stellte das Gericht aufgrund des Berichtes der medizinischen Gutachter fest, dass eine Reihe von Komplikationen, die die Lebensqualität des Patienten weiter vermindert hatten, auf einen der operativen Eingriffe zurückzuführen seien, es bestehe ein kausaler Zusammenhang.
Der Südtiroler hatte sich wegen heftiger Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, die auch in ein Bein ausstrahlten, an den Arzt gewandt. Da Physiotherapie und Infusionen nichts fruchteten, riet der Arzt zu einer Diskektomie, wobei abnormales Bandscheibenmaterial, das auf eine Nervenwurzel oder das Rückenmark drückt, chirurgisch entfernt wird. Der Eingriff wurde durchgeführt, doch es trat keine Besserung ein, der Patient hatte aufgrund der starken Schmerzen mehrere Klinikaufenthalte. Schließlich wurde als zweiter Eingriff eine Wirbelsäulenversteifung durchgeführt.
Weitere Krankenhausaufenthalte und Eingriffe im In- und Ausland folgten, denn nach der Wirbelsäulen-OP hatte sich der Zustand des Patienten - wie dieser beklagte - noch erheblich verschlechtert, was sich auf alle Bereiche seines Lebens ausgewirkt habe. Er strengte - vertreten von der Rechtsanwaltskanzlei Wenter & Marsico - eine Zivilklage gegen den Arzt an.
Die vom Gericht eingesetzten medizinischen Sachverständigen stellten fest, dass der Patient an einer degenerativen Knochenerkrankung litt. Wäre ein weniger invasiver Eingriff vorgenommen worden, wären nicht all die Komplikationen aufgetreten. Auch hätte man voraussehen können, dass Schrauben, die in durch die Krankheit geschwächte Knochen eingebracht werden, nicht halten würden.
Mehr noch: Der Patient hätte vorab über alle Risiken und Erfolgschancen genau ins Bild gesetzt werden müssen - und zwar ausgehend von seiner individuellen Situation, befand Richterin Ulrike Ceresara.
"Gemäß italienischer Rechtsprechung muss die Aufklärungspflicht personalisiert sein: Der Patient muss rechtzeitig informiert werden, was medizinisch mit ihm passiert, mit welchen Mitteln und was bei Risiken und Folgen geschehen soll. Das Aushändigen eines Aufklärungsbogens entbindet den Arzt nicht vom persönlichen Aufklärungsgespräch. Und: Der Arzt muss sich vergewissern, ob der Patient die Information auch verstanden hat", sagt Rechtsanwalt Markus Wenter.
Im gegenständlichen Fall befand das Gericht, dass der Arzt dieser Aufklärungspflicht nicht in ausreichender Weise nachgekommen sei. Er wurde zur Schadenersatzleistung sowie zur Übernahme der Arztkosten und eines Teils der Verfahrenskosten verurteilt. Die Berufshaftpflichtversicherung hat bereits bezahlt, das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.