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Ärzte haften auch bei ungenügender Betreuung

Bei einem 75-jährigen Mann hatten die Ärzte einen Tumor nicht rechtzeitig erkannt und der Patient verstarb wenige Monate später.

In einem anderen Fall verschied ein Achtzehnjähriger, nachdem der Amtsarzt, der den jungen Mann schon seit einigen Jahren aufgrund von Mandelentzündungen betreut hatte, eine beidseitige Lungenentzündung nicht erkannte.

Wie die Gerichte entschieden:

Im ersten Fall hat das zuständige Landesgericht, auch in Anlehnung an ähnliche Entscheidungen, den Angehörigen einen Schadenersatz von Euro 23.100,00 zugesprochen, mit der Begründung, Statistiken hätten gezeigt, dass bei derart gelagerten Diagnosen mit einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Therapie in 30% der Fällen eine Überlebenserwartung von 5 Jahren bestanden hätte. Das Gericht ging dabei von einem sehr interessanten Kriterium aus: im Falle eines Unfalls würde einem gleichaltrigen Geschädigten bei 100%iger Beeinträchtigung seiner Gesundheit ein Betrag von Euro 346.000,00 zustehen. Wenn man diesen Betrag mit der durchschnittlichen Lebenserwartung in Relation setzt, so ergibt sich ein Schadenersatzbetrag von Euro 23.100,00. 

Beim zweiten eingangs angeführten Sachverhalt hat das Höchstgericht mit Urteil Nr. 12923/13 die strafrechtliche Haftung des Hausarztes wegen fahrlässiger Tötung dahingehend begründet, dass dieser, nachdem sich beim Jugendlichen Beschwerden eingestellt hatten, der Mutter ein Medikament verschrieb, ohne den Jungen überhaupt untersucht zu haben. Später hatte derselbe Arzt den Jungen doch noch untersucht, wobei er trotz hohem Fieber und Atemproblemen einen Zusammenhang mit den Lungen jedoch ausschloss.

Der bereits in zweiter Instanz vom zuständigen Oberlandesgericht verurteilte Arzt hat Rechtsmittel am Obersten Gerichtshof in Rom eingelegt, zumal seiner Auffassung nach der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der mangelnden ärztlichen Betreuung (sprich: der Einweisung in das Krankenhaus zur Behandlung der Lungenentzündung) und des Ablebens des Jugendlichen nicht erbracht worden war. Das Höchstgericht ist anhand von Statistiken jedoch zur Auffassung gelangt, dass auch bei einer beidseitigen Lungenentzündung bei 20jährigen Menschen die Sterberate bei nahezu „null“ liegt und somit allemal von einem Verschulden des Arztes am Tod des jungen Mannes auszugehen sei. Die nahen Angehörigen können somit zu einem späteren Zeitpunkt Schadenersatzansprüche in Höhe von jeweils etwa Euro 154.000,00 bis Euro 304.000,00 an den Arzt, dessen Haftpflichtversicherer bzw. den Krankenhausbetreiber stellen.

Allgemein entwickelt sich die italienische Rechtsprechung derzeit dahingehend, dass Ärzte nicht mehr nur bei klaren ärztlichen Kunstfehlern haftbar gemacht werden können, sondern auch, wenn sie ihre Patienten sonst nicht in gebührender Weise betreuen. Wie bereits in einem früheren Beitrag dieser Rubrik dargestellt wurde, besteht zu Ungunsten des behandelnden Arztes eine Umkehr der Beweislast, was die Erfolgsaussichten für geschädigte Parteien bei derartigen Verfahren erhöht. Die Verjährungsfrist für die Ansprucherhebung beträgt zehn Jahre.

  • Veröffentlicht: WIKU

WIKU = wöchentliche Beilage der Südtiroler Tageszeitung Dolomiten, auf Wirtschaftsfragen fokussiert.
Dolomiten = Südtiroler Tageszeitung Dolomiten der Verlagsanstalt Athesia.