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Absichtlich arbeitslos: Zuweisung der Familienwohnung widerrufen

Der Fall:

Im Rahmen einer Ehescheidung hat das Landesgericht Brindisi die Immobilie des Mannes als Familienwohnung der Frau zugewiesen, die darin mit dem gemeinsamen 21-jährigen, finanziell noch nicht unabhängigen Sohn gelebt hat.

Kurze Zeit später gerieten Mutter und Sohn ins Visier von Drogenfahndern, die bei einer Hausdurchsuchung Kokain, 4000 Euro in bar und eine Präzisionswaage beschlagnahmen konnten.

Die beiden kamen in Untersuchungshaft, woraufhin der Ex-Mann in der Berufung des Scheidungsverfahrens beantragte, dass die Zuweisung der Familienwohnung widerrufen werde.

Wie die Gerichte entschieden:

Vor dem Oberlandesgericht Lecce argumentierte der Vater, dass der arbeitslose Sprössling offenkundig nie die Absicht hatte, eine Arbeitsstelle zu finden. Seinen Lebensunterhalt finanziert er sich mit Drogenhandel. So aber könne der junge Mann formell nie als wirtschaftlich unabhängig gelten, wodurch die Grundlage für die Zahlung von Kindesunterhalt sowie für die Zuweisung der Wohnung an die Ex-Frau abhandengekommen sei.

Das Berufungsgericht nahm den Antrag an, wogegen die Frau vor das römische Kassationsgericht zog. Sie führte aus, dass der Sohn kein Drogenhändler sei. Rechtskräftige und definitive Verurteilung gab es bis damals jedenfalls keine und solange das Strafverfahren behängt, gelte für jeden Angeklagten die von Artikel 27 der Verfassung vorgesehene Unschuldsvermutung.

Die Kassationsbeschwerde ist mit Beschluss Nr. 17075 vom 26. Mai 2022 abgewiesen worden. Laut Höchstrichtern bilden die beim Sohn beschlagnahmten Sachen einschließlich Bargeld schwerwiegende Indizien dafür, dass dieser keine Energie dafür verwendet, eine ehrbare Arbeit zu finden. Den Umstand, dass er wirtschaftlich nicht unabhängig ist, hat er sich folglich selbst anzulasten und sein Vater kann nichts dafür.

Die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte Unschuldsvermutung tut hier nichts zur Sache: für den Widerruf der Zuweisung als Familienwohnung ist nur relevant, dass sich der Sohn offenkundig nicht um eine Arbeit bemüht hat.

Ein Unterhaltsanspruch, auch in Form des zeitweiligen Wohnrechts, besteht nur, solange die Berufsausbildung und die anschließende Arbeitssuche andauern, bis zur Eingliederung in die Arbeitswelt. Hier aber hat der Betreffende jegliche Initiative in dieser Hinsicht vermissen lassen.

Bei Unterhaltsansprüchen einschließlich Zuweisung der Familienwohnung für volljährige Kinder, die finanziell noch nicht unabhängig sind, müssen Gerichte sämtliche Umstände bei jedem Fall einzeln und genauestens bewerten.

Mit steigendem Alter des Anspruchstellers sind die Kriterien immer rigoroser anzuwenden, bis die Verpflichtung irgendwann erlöschen muss.

  • Veröffentlicht: WIKU

WIKU = wöchentliche Beilage der Südtiroler Tageszeitung Dolomiten, auf Wirtschaftsfragen fokussiert.
Dolomiten = Südtiroler Tageszeitung Dolomiten der Verlagsanstalt Athesia.